Man könnte über Otto Modersohn ganze Bibliotheken füllen – theoretisch. Praktisch aber? Fehlanzeige. Der gute Otto Modersohn wirkt heute fast wie ein Schatten seiner selbst: still, zurückhaltend, fast ein bisschen zu blass für die grelle Kunstwelt von heute.
Geboren wurde er am 22. Februar 1865 in Soest – nicht gerade das Zentrum der Welt, aber immerhin mit ein paar Künstlern in der Familie. Für Otto Modersohn war das Malen also kein ferner Traum, sondern eher Familientradition. Er studierte an der ehrwürdigen Düsseldorfer Kunstakademie, probierte sich in verschiedenen Stilrichtungen aus und – wie es sich für einen echten Künstler gehört – lehnte er die akademische Kunst später natürlich ab. Klar, der Impressionismus war dort noch ein Fremdwort.
In den 1890er Jahren traf er in Worpswede auf Heinrich Vogeler und Fritz Overbeck. Gemeinsam gründeten sie die legendäre Künstlerkolonie Worpswede – ein Ort, an dem man sich gegenseitig inspirierte, philosophierte und malte, was das Zeug hielt. Auch Rainer Maria Rilke schaute vorbei. Für Otto Modersohn war das wie ein Sechser im Künstlerlotto: Hier wollte er bleiben. Hier wurde aus dem Maler auch ein Mensch mit Tiefgang.
Dann kam der große Moment: 1895 stellte die Künstlerkolonie Worpswede in der Bremer Kunsthalle aus – und wurden prompt verspottet. Doch kaum ein Jahr später im Münchner Glaspalast: Boom! Plötzlich waren sie die Stars der Szene. Vom belächelten Außenseiter zum gefeierten Visionär – ein Triumph der leisen Töne.
Und dann kam Paula Becker. Ihre Beziehung war… sagen wir mal: speziell. Laut Barbara Beuys war das eher eine Partnerschaft mit künstlerischen Rissen als mit romantischen Rosen. Paula wollte sich trennen, Otto hatte ein Rezept dagegen – das allerdings in einer Schwangerschaft endete. Absicht? Vielleicht. Rettung? Irgendwie. Ihre Liebe war wie ein expressionistisches Gemälde: wild, tief und voller Überraschungen.
Ein dunkles Kapitel: das Dritte Reich. Otto Modersohn wurde weder Held noch Mitläufer. Er nahm die Goethe-Medaille entgegen – vielleicht aus Angst, vielleicht aus Pflichtgefühl. Er malte weiter, ernährte seine Familie und hielt sich aus dem Gröbsten raus.
Interessant: Otto Modersohn verkaufte zu Lebzeiten viele Bilder und konnte davon leben. Paula Becker hingegen – trotz ihres heutigen Ruhms – verkaufte nur ein einziges vielleicht auch zwei Gemälde. Heute kennt fast jeder Paula Modersohn-Becker, während ihr Ehemann eher im Schatten steht. Ungerecht? Vielleicht. Aber so ist das Leben – und die Kunstgeschichte.
Otto Modersohn starb am 10. März 1943 in Rotenburg (Wümme). Er war der Mann, der das Moor in Magie verwandelte – leise, eindringlich, echt.
Für folgende Grußkarte diente mir eines seiner Gemälde als Hintergrund:
Quellen:
Vgl. Wikipedia (₪): Otto Modersohn, zuletzt besucht am 28.07.2025
Vgl. Barbara Beuys: Paula Modersohn-Becker. Oder: Wenn die Kunst das Leben ist, Insel-Verlag, Berlin 2009
Vgl. Peter Ringel (₪): Das Moor und die Moderne, in: taz, 31.12.2001, zuletzt besucht am 28.07.2025