Wenn man Emil Orliks Lebenslauf liest, könnte man meinen, er sei der Forrest Gump der Kunstgeschichte: überall dabei, alles erlebt, jeden getroffen. Geboren 1870 in Prag, studierte er brav in München, kehrte zurück – und zack, schon saß Rainer Maria Rilke ihm Modell. Oder besser gesagt: wurde von ihm karikiert. Ob Rainer Maria Rilke das wollte oder ob Emil Orlik einfach dachte „Ach, ein bisschen Spott hat noch keinem Dichter geschadet“ – bleibt ein Rätsel.
Dann ging’s nach Japan. Nicht etwa, um Sushi zu essen oder Kirschblüten zu fotografieren, sondern um die Kunst zu studieren. Und wie das so ist: einmal fernöstlich inspiriert, tauchten plötzlich japanische Malweisen in seinen Werken auf. Ein bisschen Origami fürs Auge, könnte man sagen.

Und er wusste, welche Zugabe man damals benötigte, um gesehen und gehört zu werden. Man ging in Gruppen, nicht irgendwelche, sondern er wählte die Wiener Secession, den Deutschen Künstlerbund und später auch die Deutsche Secession.
Und so klappte es auch mit der Berufung zum Professor in Berlin. Und hier wird’s fast schon unverschämt: Er unterrichtete später Größen wie George Grosz und Hannah Höch. Man fragt sich, ob er beim Frühstück dachte: „Wen mache ich heute berühmt?“

Porträtiert hat er sowieso alles, was Rang, Namen oder zumindest ein Gesicht hatte – von Richard Strauss über Friedrich Ebert bis hin zu Gräfin Juliane zu Rantzau. Wahrscheinlich hätte er auch den Postboten gezeichnet, wenn der lange genug Zeit gehabt hätte zwischen dem Briefe verteilen.

Emil Orlik starb 1932 in Berlin. Und obwohl er heute nicht jedem geläufig ist, könnte man sagen: Er war der Influencer seiner Zeit – nur eben mit Zeichenstift statt Selfie-Stick.

Zu folgender Grußkarte verwendete ich sein Gemälde als Titelbild:


Quellen:
Vgl. Wikipedia (): Emil Orlik, zuletzt besucht am 25.07.2025 

Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 21