Adelheid Kohlschütter und die Taube
Im Dresden der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts begegnen sich Lehrerin und Schüler nicht nur in der Sprache der Farben, sondern auch im Ringen um die Wahrheit der Kunst. Adelheid Kohlschütter, eine junge Malerin mit offenem Blick für neue Strömungen, und ihr Lehrer Robert Sterl, fest verwurzelt in der Tradition, treten in einen Dialog über das Wesen der Malerei.
Das Atelier wird zum Resonanzraum: zwischen Leinwänden und Pigmenten entfaltet sich ein Gespräch über Ordnung und Chaos, über Klarheit und Ausdruck. In dieser Atmosphäre erscheint eine Taube – ein Symbol für Frieden und zugleich für Prophezeiung. Sie bringt die Ahnung einer dunklen Zeit, die über Europa hereinbrechen wird, und legt einen Schleier über die Zukunft der beiden Künstler.
Robert Sterl: Adelheid, ich sehe, wie du dich von diesen neuen Strömungen verführen lässt. Expressionismus – das ist für mich ein Zuviel an Verzerrung, ein Zuviel an Gefühl, das die Form zerstört. Die Malerei muss klar bleiben, getragen von Beobachtung und Maß.
Adelheid Kohlschütter: Aber Robert, gerade in der Übersteigerung liegt doch eine Wahrheit. Das Innere, das Unsichtbare, das, was wir fühlen, kann durch die Farbe und die Form sichtbar werden. Ist das nicht auch eine Art von Klarheit – nur eben eine seelische?
Robert Sterl: Die Seele, ja. Aber die Seele braucht Ordnung. Ich fürchte, diese Bewegung führt ins Chaos.
Adelheid Kohlschütter: Vielleicht ist es gerade das Chaos, das uns zeigt, wie lebendig wir sind. Ich spüre darin eine Kraft, die mich trägt – auch wenn sie nicht jedem gefällt.
Plötzlich flattert eine weiße Taube durch das offene Fenster. Sie setzt sich auf die Staffelei, gurrt leise und spricht in einer Sprache, die beide verstehen:
Taube: Eine dunkle Zeit wird kommen, eine Zeit des Faschismus. Robert, du wirst sie nicht erleben – dein Weg endet, bevor die Schatten fallen. Adelheid, du wirst sie überleben, doch kurz nach dem Ende dieser dunklen Zeit wirst du sterben: 10. Dezember 1945.
Adelheid senkt den Blick, ihre Hände ruhen auf dem Pinsel. Robert legt ihr die Hand auf die Schulter, schweigend, als wüsste er, dass die Taube eine Wahrheit ausgesprochen hat, die nicht zu widerlegen ist.
Adelheid betrachtet den feinen Stoff, der über einem fertigen Bild liegt. „Es ist wie ein Schleier,“ sagt sie, „ein Übergang zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem.“
Die Taube nickt. „So wie die Grußkarte Schleier aus Fadendesign – ein zarter Faden, der die Grenze markiert zwischen Licht und Schatten, zwischen Leben und Abschied. Dein Werk, Adelheid, trägt diesen Schleier weiter, auch über dein Sterbedatum hinaus.“
Quelle:
Vgl. Wikipedia (₪): Adelheid Kohlschütter, zuletzt besucht am 01.12.2025