Wann

Dezember 7, 2025    
Ganztägig

Veranstaltungstyp

Man stelle sich vor: Ein sensibler Dichter, der später mit Worten ganze Seelenlandschaften erschafft, beginnt seine Laufbahn… in einer Militärschule. Ja, richtig gelesen. Rainer Maria Rilke, der Meister der feinsinnigen Poesie, wurde als Kind in die Militärunterrealschule nach St. Pölten verfrachtet – eine Stadt, die zwar heute als Landeshauptstadt von Niederösterreich glänzt, damals aber wohl kaum als Hotspot für kreative Entfaltung galt.
280 Kilometer von Prag entfernt, also weit genug, um familiäre Dramen und pubertäre Poesie in sicherer Entfernung zu halten. Internatspflicht inklusive. Und als wäre das nicht schon Strafe genug, hatte der junge René Rilke auch noch die Trennung seiner Eltern zu verdauen. Ein echter Start ins Leben à la „Was dich nicht umbringt, macht dich lyrischer.“
Trotz allem – oder gerade deswegen – war er ein guter Schüler. Vielleicht, weil man sich zwischen Exerzieren und Latrinenputzen nach geistiger Flucht sehnt. Doch dann kam Mährisch-Weißkirchen (Hranice, Tschechien). Die Militäroberrealschule. Noch mehr Drill, noch weniger Dichtung. Irgendwann war selbst Rainer Maria Rilkes stoische Geduld erschöpft. Der poetische Widerstand siegte, und er verließ die Schule – ohne Abschluss, aber mit einem klaren Statement: „Ich bin raus.“
Und so begann die eigentliche Karriere eines Mannes, der lieber mit Metaphern jonglierte als mit Marschbefehlen. Ein Glück für die Literatur – und ein kleiner Triumph über das preußische Bildungsideal.

> Infos zur Grußkarte: Adventskonzert 


Quelle:
Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 8 ff.