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Dezember 8, 2025    
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Kaum hatte Rainer Maria Rilke die Militärschule hinter sich gelassen – ein Ort, an dem man eher lernt, wie man korrekt salutiert als wie man ein Sonett schreibt – da erklärte er sich selbst zum Literaten. Ganz offiziell. In einem Brief an seine Mutter. Und wie jeder frischgebackene Dichter wusste er: Der Weg zur literarischen Unsterblichkeit führt über Preisausschreiben.

Also reichte er ein Gedicht ein. Und siehe da – am 10. September 1891 wurde es tatsächlich in „Das interessante Blatt“ abgedruckt. Eine Wiener Zeitschrift, die vermutlich genauso interessant war, wie ihr Name vermuten lässt. Man kann sich seinen Stolz vorstellen: Ein junger Mann, der gerade erst dem Drill entflohen war, nun gedruckt zwischen Anzeigen für Schnurrbartpomade und Korsetts.

Doch Rilke wäre nicht Rilke, wenn er sich mit einem einzigen Coup zufriedengegeben hätte. Im Februar 1892 wurde ein weiteres Gedicht lobend erwähnt. Und dann – Trommelwirbel – widmete er seinem Lehrer Anton Effenberger ein Werk mit dem Titel „Die Waffen nieder“. Ein poetischer Friedensappell? Vielleicht. Eine subtile Kritik an der Handelsakademie? Wer weiß.

Das Gedicht erschien zu Ostern 1892 in „Böhmens Deutsche Poesie und Kunst“. Ein Titel, der klingt wie ein literarischer Sonntagsbraten – schwer, traditionell und mit einem Hauch von nationaler Würze.

So begann die Karriere eines Mannes, der sich selbst zum Literaten erklärte, bevor die Welt es tat. Und vielleicht ist das die wahre Kunst: sich selbst ernst zu nehmen, bevor es andere tun – mit einem Augenzwinkern und einem Gedicht in der Tasche.

> Infos zur Grußkarte: Empfängnis 


Quelle:
Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 12 f.