Man könnte meinen, Dichter seien Herren ihres eigenen Lebens – doch wer Rainer Maria Rilke kennt, weiß, dass er früh zum Spielball familiärer Pläne wurde. Kaum zurück in Prag, fand er sich im Rat der Erwachsenen wieder, wo Onkel Jaroslav das Zepter schwang und René bestenfalls als begabte Figur auf dem Schachbrett galt.
Jaroslav, Jurist mit strategischem Gespür, hatte einen klaren Plan: René sollte Jura studieren. Nicht aus Leidenschaft für Paragraphen, sondern weil die Kanzlei nach dem Tod seiner eigenen Söhne ohne Erben dastand. Mit 200 Gulden monatlich lockte er den jungen Dichter – ein Angebot, das wie goldene Fäden glänzte und doch wie ein Netz wirkte.
Denn Wohltaten sind selten frei von Bedingungen. Aus dem Regen der Gulden wurde schnell ein moralischer Druck, und René stand vor der Wahl: die sichere Zukunft oder die Freiheit seiner poetischen Stimme.
Hier berührt sich Geschichte mit Symbolik: Die Grußkarte „Freiheit“ aus Fadendesign erinnert an diesen inneren Konflikt. Ihr feines Garn spannt sich wie ein roter Faden zwischen Pflicht und Sehnsucht, zwischen familiären Erwartungen und dem Aufbruch ins Eigene. So wie die Karte das Wort „Freiheit“ sichtbar macht, so suchte Rilke sie unsichtbar – in seinen Versen, in seiner Entscheidung, trotz aller Bindungen den Weg der Dichtung zu gehen.
Quelle:
Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 14
