122 Briefe von Rainer Maria Rilke später: Valerie denkt sich ihren Teil
Wenn man an Rainer Maria Rilke denkt, kommen einem meist melancholische Gedichte, tiefgründige Briefe und ein Hauch von Weltschmerz in den Sinn. Doch hinter dem jungen Dichter stand einst eine Frau, die nicht nur sein Herz eroberte (nachdem er sie mit Briefen und Gedichten zugedeckt hat), sondern auch seine Karriere anschob – Valerie von David-Rhonfeld, die zweite Braut (siehe: Olga Blumauer) des späteren Lyrikstars. Und nein, sie war nicht nur ein hübsches Gesicht mit adligem Stammbaum, sondern eine Frau mit Stift, Stil und gutem Durchblick.
Valerie begegnete dem 18-jährigen René Rilke 1893 in Prag – bei einem Treffen junger Intellektueller, wie man sie heute wohl als „literarische WG mit Hang zum Drama“ bezeichnen würde. Die beiden verliebten sich, trafen sich täglich (was den Vater mäßig begeisterte), und Rainer Maria Rilke schrieb ihr Briefe, als gäbe es kein Morgen. 122 davon sind erhalten – inklusive 77 Gedichte. Man könnte sagen: Wenn WhatsApp damals existiert hätte, wäre Valerie wohl die erste gewesen, die ein poetisches Dauerfeuer im Chat bekam.
Doch Valerie von David-Rhonfeld war mehr als nur Empfängerin romantischer Zeilen. Sie finanzierte Rainer Maria Rilkes ersten Gedichtband „Leben und Lieder. Bilder und Tagebuchblätter“ – quasi als Mäzenin mit Herz. Und als wäre das nicht genug, zeichnete sie auch noch die Vignette für sein nächstes Werk „Larenopfer“ (siehe auch: An der Ecke, Im alten Hause, Rabbi Löw I, Rabbi Löw II und Rabbi Löw III. Man stelle sich das vor: eine Frau, die nicht nur inspiriert, sondern auch illustriert. Multitalent mit Understatement!
Die Beziehung endete leise – Rainer Maria Rilke verabschiedete sich in zunehmend kühleren Briefen, wie ein Dichter, der langsam den Reim verliert. Valerie von David-Rhonfeld heiratete nie, lebte zurückgezogen und verkaufte später die Briefe an einen Antiquar. Der wollte sie veröffentlichen, doch die Rilke-Erben winkten ab. So blieb Valerie von David-Rhonfeld die Frau hinter den Zeilen – sichtbar nur für jene, die zwischen ihnen lesen.
Heute erinnert man sich kaum an sie. Geboren wurde sie 1874 und starb 1947. Doch vielleicht sollte man das ändern. Denn Valerie von David-Rhonfeld war nicht nur Rainer Maria Rilkes zweite Liebe – sie war seine erste Verlegerin, Illustratorin und stille Muse. Und wer weiß: Vielleicht war sie auch die erste, die dachte „Ach René, du Drama-Dichter…“.
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Quellen:
- Wikipedia (₪): Valerie von David-Rhonfeld, zuletzt besucht am 24.09.2025
- Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 14 ff.