Wann

Dezember 11, 2025    
Ganztägig

Veranstaltungstyp

Wenn man denkt, dass Dichter ihr Leben selbst bestimmen, hat man Rainer Maria Rilke noch nicht kennengelernt. Kaum war der junge Poet wieder in Prag, nachdem die Erwachsenen über Olga‘s und Rainer‘s Köpfe hinweg entschieden hatten und sie beide voneinander trennten, wurde Rainer zum Spielball familiärer Ambitionen – und das ganz ohne Mitspracherecht. Willkommen im Rilke’schen Familienrat, wo Onkel Jaroslav das Zepter schwingt und Rainer bestenfalls als talentierte Schachfigur gilt.

Jaroslav Rilke, ein Mann mit juristischem Hintergrund und einem Hang zur strategischen Großzügigkeit, hatte einen Plan: Rainer sollte Jura studieren. Nicht etwa, weil Rainer sich für Paragraphen begeisterte – sondern weil Jaroslavs eigene Söhne leider das Zeitliche gesegnet hatten und die Kanzlei nun ohne Erben dastand.
Doch Jaroslav war kein gewöhnlicher Onkel. Er war ein Meister der Manipulation mit dem Charme eines Finanzberaters: „Rainer, mein Junge, du bekommst 200 Gulden im Monat – das ist mehr als ein Dichter mit Liebeskummer je braucht!“ Und zack, war aus dem sensiblen Lyriker fast ein angehender Jurist geworden. Fast.
Denn wie das mit Wohltätern so ist: Sie geben nicht einfach, sie investieren. Und wehe, der Empfänger zeigt sich undankbar – dann wird aus dem Guldenregen schnell ein moralischer Monsun. Rainer stand also vor der Wahl: Freiheit oder finanzierte Zukunft.

Aber der Onkel machte die Rechnung ohne Rainer, denn er entschied sich für das Geld und Studium (vorerst) und die poetische Freiheit.

> Infos zur Grußkarte: Apfelblüte in der Wüste 


Quelle:
Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 14