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Dezember 10, 2025    
Ganztägig

Veranstaltungstyp

Ende des 19. Jahrhunderts war das Leben junger Verliebter ungefähr so romantisch wie ein Tanz mit angezogener Zwangsjacke. Die Gesellschaft war prüde, die Eltern streng, und das Wort „Privatsphäre“ existierte vermutlich nur als Schreibfehler in einem französischen Wörterbuch.

Inmitten dieser steifen Kulisse verliebt sich ein junger Mann namens Rainer Maria Rilke – ja, genau der mit den Gedichten, die man heute in Feuilletons zitiert, um besonders tiefgründig zu wirken – in die charmante Olga Blumauer. Und wie macht man das damals? Man schreibt Gedichte. Viele Gedichte. Denn Tinder war noch nicht erfunden, und „Swipe nach rechts“ bedeutete höchstens, dass man beim Tanz höflich Platz machte.
Die Liebe war echt, die Hormone rebellisch, und das Drama unvermeidlich. Als die Beziehung März 1892 auffliegt, versuchen die Erwachsenen, das Ganze mit der pädagogischen Keule zu beenden. Spoiler: Es klappt nicht. Olga und Rainer schmieden einen Fluchtplan, der so romantisch wie riskant ist: Sie büxen beim Linzer Sängerfest am 22. Mai 1892 aus – zwischen Blasmusik und Bratwurst verschwinden sie in die Nacht.
Doch die Polizei hat offenbar wenig Sinn für Lyrik. Zwei Tage später ist Schluss mit Romeo und Julia auf Österreichisch. Die beiden werden am 24. Mai 1892 getrennt und zurück zu ihren Eltern geschickt. Rainer Maria Rilke verlässt die Handelsakademie ohne Abschluss – aber mit einem Herzen voller Poesie.

> Infos zur Grußkarte: Transzendenz 


Quelle:
Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 13 f.