In den ersten Zeilen der Genesis 1 offenbart sich ein Mysterium, das weit über Worte hinausgeht: die Geburt von Licht aus Dunkelheit, Ordnung aus Chaos. Diese uralte Erzählung ist nicht nur ein mythologischer Anfang, sondern ein Spiegel unserer inneren Reise – von Unwissenheit zur Erkenntnis, von Zerstreuung zur Einheit.
Rainer Maria Rilkes Gedicht „Rabbi Löw III“ greift diese spirituelle Dynamik auf und verwebt sie mit der jüdischen Mystik. Der Rabbi, ein Richter und zugleich ein Befreier, steht im Zentrum eines Morgens, der nicht nur den Tag bringt, sondern auch die Wahrheit. Die „Geißel des Gesetzes“ ist nicht bloß Strafe, sondern Reinigung – ein Akt der Gnade, der die Sünderstirn brandmarkt, um sie vom Bann des Fluchgenetzes zu lösen.
Diese Szene ist mehr als ein poetisches Bild. Sie ist ein spiritueller Archetyp: Der Mensch, gefangen in Schuld und Fieber, wird durch Erkenntnis und göttliche Ordnung befreit. Die Freude auf den Mienen der Gereinigten ist nicht oberflächlich – sie ist das stille Leuchten einer Seele, die sich erinnert, wer sie ist.
RABBI LÖW III
Kaum, daß aus dem Nachtkelch maijung
stieg der Tag in rosgem Licht,
hielt der Rabbi schon Gericht, –
und der Unschuld ward Befreiung.
Mit der Geißel des Gesetzes
brandmarkt er die Sünderstirn; –
langsam löste jedes Hirn
sich vom Bann des Fluchgenetzes.
Manches Paar war da erschienen,
dankerfüllt, daß Gott verzieh,
und der Weise segnet sie. –
Freude lag auf aller Mienen.
Nur der Bocher warf, der bleiche,
sich im Fieber hin und her …
Doch nach Beth Chaim lange mehr
trug man keine Kindesleiche.
Dieser Text ist Gemeinfrei.
Die Wahl eines Jugendstil-Bibliotheksbildes als visuelles Symbol unterstreicht diese Verbindung von Geist und Schönheit. Die Säulen, verziert mit floralen Ornamenten, tragen nicht nur das Dach des Wissens, sondern auch die Sehnsucht nach Transzendenz. Es ist ein Raum, in dem Licht nicht nur physisch, sondern metaphysisch wirkt.
Aus der Schöpfungsgeschichte wird kein bloßer Bericht, sondern ein lebendiger Ruf: Erwache. Erkenne. Vergebe. Und finde in der Ordnung des Göttlichen die Freiheit deiner eigenen Seele.
Siehe auch:
- Rabbi Löw I (Begegnung zwischen Diesseits und Jenseits)
- Rabbi Löw II (Suche nach Transzendenz in der Schöpfung und Dichtung)
Angaben zur Grußkarte:
Titel: Federleicht
Größe (B x H): ca. 10,5 x 14,8 cm
Ausstattung: Faltkarte: innen mit Leinenpapier (Möglichkeit eines persönlichen Grußes und ähnliches), weißer Briefumschlag aus Leinenpapier
1. Auflage: September 2025
Materialverwendung und Herkunft (sofern ermittelbar):
Fäden allesamt aus 100% Seide (vermutlich Made in Germany), Karte aus 200g/m2 (Made in Austria),
Quelle:
Rainer Maria Rilke: Larenopfer, in: Sämtliche Werke, Band I, Insel-Verlag – Frankfurt am Main 1955, S. 63f.