Die Schöpfungsgeschichte in Genesis 1 ist mehr als ein mythologischer Ursprungstext – sie ist ein poetischer Versuch, das Unfassbare zu fassen: die Geburt von Zeit, Raum und Sinn. Doch wer sich künstlerisch diesem Text nähert, stößt schnell an Grenzen. Das Motiv der Transzendenz – das Überschreiten des Sichtbaren, das Erreichen des Göttlichen – entzieht sich der greifbaren Darstellung. Es bleibt ein Flimmern am Horizont der menschlichen Vorstellungskraft.

Und doch liegt im Scheitern eine tiefe Wahrheit. Die US-amerikanische Gelassenheit, die das Scheitern als Lernmoment begreift, öffnet einen neuen Raum: einen Raum für spirituelle Entwicklung, für Demut und für die Erkenntnis, dass das Unsichtbare nicht immer sichtbar gemacht werden muss, um wirksam zu sein.
In diesem Spannungsfeld zwischen dem Streben nach Erkenntnis und der Akzeptanz des Geheimnisses entfaltet sich Rainer Maria Rilkes Gedicht „Rabbi Löw II“ wie ein nächtlicher Traum. Der Bocher, der durch die Gassen irrt, das weiße Hemd in der Hand, wird zum Symbol für den Menschen, der zwischen den Welten wandelt – zwischen Leben und Tod, zwischen Schuld und Erlösung. Die Kindesleiche, die ihm folgt, ist nicht nur ein Bild des Verlusts, sondern auch ein Mahnmal für die spirituelle Verantwortung, die jede Handlung trägt.
Rabbi Löw, der legendäre Schöpfer des Golems, wird hier nicht als Magier dargestellt, sondern als Hüter einer höheren Ordnung. Er spricht mit Geistern, hört ihre Klagen, und erkennt: Die Ursache des Leids liegt nicht im Zufall, sondern in der Entheiligung des Heiligen – der Ehe, der Gemeinschaft, der spirituellen Flamme.

RABBI LÖW II

Mitternacht und Mondgegleiße, –
… und es stürzt der totenblasse
Bocher bebend durch die Gasse,
in der Hand das Hemd, das weiße.

Da jetzt … sind das seine Schritte? …
Jach kehrt er zurück das bleiche
Antlitz: Weh, die Kindesleiche
folgt ihm nach, im Aug die Bitte:

„… Gieb das Linnen, ohne Linnen
lassen mich nicht ein die Geister …“
Und der Bocher, halb von Sinnen,
reicht es endlich seinem Meister.

Und schon naht der Geist mit Klagen …
„Sag, was sterben hundert binnen
Tagen? – Kind, du mußt es sagen,
früher darfst du nicht von hinnen.“

So der Rabbi. – „Wehe, wehe“,
ruft der Geist, „aus unserm Stamme
haben zwei entehrt der Ehe
keusche, reine Altarflamme!

Hier die Namen! – Sucht nicht fremde
Ursach, daß euch Tod beschieden …“
Und der Rabbi reicht das Hemde
jetzt dem Kinde: „Zieh in Frieden!

Dieser Text ist Gemeinfrei.

Das Gedicht ist eine spirituelle Allegorie: Es ruft uns auf, nicht nur nach außen zu schauen, sondern nach innen. Die Transzendenz ist kein fernes Licht, sondern ein inneres Leuchten, das sich zeigt, wenn wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – für unsere Taten, unsere Worte, unsere Beziehungen.
Um dem geistigen Erbe der jüdischen Glaubensgemeinschaft Ausdruck zu verleihen, wählte ich eine helle Bibliothek als visuelle Brücke zwischen Vergangenheit und Transzendenz.

Siehe auch:

Angaben zur Grußkarte:
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Größe (B x H): ca. 10,5 x 14,8 cm
Ausstattung: Faltkarte: innen mit Leinenpapier (Möglichkeit eines persönlichen Grußes und ähnliches), weißer Briefumschlag aus Leinenpapier
1. Auflage: August 2025

Materialverwendung und Herkunft (sofern ermittelbar):
Fäden allesamt aus 100% Seide (vermutlich Made in Germany), Karte aus 200g/m2 (Made in Austria)


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Larenopfer, in: Sämtliche Werke, Band I, Insel-Verlag – Frankfurt am Main 1955, S. 62 f.