Rainer Maria Rilke: Du musst das Leben nicht verstehen

Als ich das Gedicht „Du musst das Leben nicht verstehen“ von Rainer Maria Rilke las, klang in mir eine Saite und ich dachte: Aha, ich muss gar nicht alles verstehen. An und für sich möchte ich alles verstehen, insbesondere das Zusammenleben der Menschen, doch oft genug stehe ich davor und die Menschen sind mir ein Rätsel. Die ersten beiden Zeilen des Gedichts stimmen mich fröhlich, geben mir Mut und ein Verständnis davon, dass man das Leben nimmt, wie es kommt und das Beste daraus macht und on Top das ganze auch noch feiern. Was für eine schöne Vorstellung. Mit der Vorstellung, das Leben zu feiern, setzte ich in die Tat um, indem ich die Grußkarte „Wiesenschaumkraut“ kreierte.

Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

– Rainer Maria Rilke –

Dieser Text ist Gemeinfrei.

Rainer Maria Rilke verfasste das Gedicht am 8. Januar 1898 in Berlin.

Quelle: Rainer Maria Rilke: Mir zur Feier (1899), S. 16