Wann

Dezember 19, 2025    
Ganztägig

Veranstaltungstyp

Im Frühjahr 1897, inmitten des eleganten Münchner Gesellschaftslebens, wurde das Café „Luitpold“ zum Schauplatz einer literarischen Begegnung mit weitreichenden Folgen. Der junge Rainer Maria Rilke, noch auf der Suche nach seiner dichterischen Stimme, traf dort auf den bereits etablierten Schriftsteller Jakob Wassermann. Es war keine schmeichelhafte Begegnung – zumindest nicht im Ton. Jakob Wassermann, bekannt für seine Direktheit, sparte nicht mit Kritik an Rainer Maria Rilkes frühen Gedichten. Doch seine Worte waren nicht nur scharf, sondern auch richtungsweisend: Rainer Maria Rilke dürfe die Bodenhaftung nicht verlieren, warnte er, solle sich nicht in ästhetischer Entrückung verlieren, sondern dem Leben und seinen Widersprüchen standhalten.

Jakob Wassermann wurde für den jungen Dichter zu einem intellektuellen Wegweiser. Er empfahl ihm die Lektüre von den russischen Schriftstellern Fjodor Dostojewski (offenbar fand der Dichter diesen Autor so packend, dass er 1912 die neue Biografie von Aimée Dostojewski las) und Iwan Turgenjew, von dem dänischen Schriftsteller Jens Peter Jacobsen (von ihm war Rainer Maria Rilke so begeistert, dass er 1897 plante, eine Biografie über ihn zu schreiben, tatsächlich verfasste er jedoch nur ein Gedicht) und von dem deutschen Dichter Detlev von Liliencron (den Rainer Maria Rilke zu seinem Mentor machte und über einige Zeit hinweg zu ihm Kontakt hielt und gar 1897 für ihn in Prag einen öffentlichen Abend veranstaltete, am 16. Dezember 1898 lernte er auf der Reise nach Hamburg persönlich kennen) – Autoren, deren Werke Rainer Maria Rilkes Denken und Schreiben nachhaltig beeinflussen sollten. Doch das eigentliche Ereignis, das diesen literarischen Nachmittag überstrahlte, fand am 12. Mai 1897 statt.

An diesem Tag lud Jakob Wassermann zum Tee – eine kleine Runde, doch mit großer Wirkung. Unter den Gästen befand sich Lou Andreas-Salomé, eine Frau von außergewöhnlicher geistiger Präsenz und Charisma. Die Begegnung zwischen ihr und dem jungen Dichter war mehr als ein flüchtiger Moment: Sie wurde zum Beginn einer tiefen, lebensprägenden Beziehung, die Rilkes Entwicklung als Dichter entscheidend formen sollte.

Was genau zwischen den Teetassen und Gesprächen geschah, bleibt ein Geheimnis der Geschichte – und ein Versprechen für spätere Kapitel. Denn von dieser Begegnung wird man an anderer Stelle noch lesen können.

Jens Peter Jacobsen.

Du meine heilige Einsamkeit,
Du bist so reich und rein und weit
Wie ein erwachender Garten.
Meine heilige Einsamkeit du –
Halte die goldenen Thüren zu

Vor denen die Wünsche warten.

Dieser Text ist gemeinfrei.

Detlev von Liliencron.

Es kommt in prunkenden Gebreiten
Der Abend, wie ein leiser Gott.
Den Rappen vor! Jetzt will ich reiten
Durch purpurbunte Einsamkeiten
In bügelleichtem Träumertrott.

Ich athme tief. Ich werde Kaiser.
Mein heller Helm ist losgeschnallt,
Und meine Stirne streifen Reiser
Und rauschen so. Und leiser, leiser
Hallt Huf und Ruf im rothen Wald.

Dieser Text ist gemeinfrei.

Infos zur Grußkarte:


Quelle der Gedichte:
Rainer Maria Rilke: Advent, P. Friesenhahn Verlag – Leipzig 1898, S. 10 (Jens Peter Jacobsen) und S. 30 (Detlev von Liliencron)

Quelle des Sachtextes:
Vgl. Gunter Martens und Annemarie Fost-Martens: Rainer Maria Rilke, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008, S. 23 f., S. 33, S. 63, S. 137